Wie und womit beginne ich zuerst bei der Anlage meines Selbstversorger-Refugiums? / Hannelore Zech, Permakultur-Gestalterin

Wie und womit beginne ich zuerst bei der Anlage meines Selbstversorger-Refugiums? / Hannelore Zech, Permakultur-Gestalterin

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Die heutige Frage hat mir ein elfjähriger Junge bei einer meiner Führungen durch den Mienbacher Waldgarten gestellt und ich denke, sehr viele Menschen stellen sich dieser Frage, wenn sie sich bewußt geworden sind, dass Permakultur genau der richtige Weg ist, sich einen zukunftsfähigen Lebensraum zu erschaffen.

Wie also beginne ich, wenn ich einen Garten neu anlege?
Ein Permakultur-Prinzip lautet: Plane zuerst das Ganze und dann das Detail. Ein weiteres Prinzip: Beobachte und handle.

Also was beobachten wir? Richtig, das Wetter.
Wir brauchen, um ein ideales Mikroklima zu schaffen, zuerst einen Windschutz. Besonders dort, wo die kalten Winde hereinwehen. Meistens ist dies die Ost-Seite des Grundstücks. Dies kann aber variieren! Als Windschutz eignet sich am besten eine Hecke. Aber bitte keine Thujenhecke. Die bringt weder uns noch einen ökologischen Nutzen. Eine Wildobsthecke sollte her. Wildobst schmeckt gut, tut gut und bringt einen erhöhten ökologischen Nutzen durch die Fähigkeit Vögeln, Igel, Mardertieren (Wiesel, Mauswiesel, Iltis usw. ), Eidechsen und weiteren Kleintieren Unterschlupf zu bieten.

Macht Euren Garten, bzw. Hof oder Wohnwagon-Standort zur Sonnenfalle! Windgeschützt, das heißt hohe Bäume kommen an die Nordseite, niedrige seitlich und nach Süden hin bleibt alles offen bzw. kommen die niedrigeren Beerensträucher und natürlich die Gemüsebeete. Damit Euch Eure Sonnenfalle aber im Sommer nicht zu schnell alles austrocknet, achtet auf ein Licht-Schatten-Verhältnis, so wie in einem natürlichen Wald, natürlich einem lockeren Wald. In unserer gemäßigten Klimazone müssen wir mit dem Licht wirtschaften. Sind die Bäume und Sträucher bereits höher gewachsen, wächst auch zeitgleich Jahr für Jahr das optimale Kleinklima. Das heißt, im Sommer haben wir eine angenehme Kühle durch die Verdunstung der Blätter, im Winter Windschutz vor eisiger Kälte.
Steht vor unserem Wohnwagon also ein großkroniger Laubbaum (im besten Falle ein Obstbaum), haben wir im Sommer den gewünschten Schatten und im Winter die gewünschte Sonne.  In einem optimalen Kleinklima überleben auch Pflanzen, die normalerweise bei uns nicht winterhart wären. So können wir auch draußen Pflanzen kultivieren, wie: Wollmispel, Indianerbanane, Rosmarin, Dreiblatt-Zitrone, Feige, usw.

  • Wir beginnen mit der Planung eines optimalen Mikroklimas für unseren zukunftsfähigen Lebensraum.
  • Dann planen wir die Wasserversorgung unserer Intensivzone, den Bereich der Gemüsebeete und Topfkulturen, evtl. des Gewächshauses rund ums Haus.
  • Dann kann mit der Einplanung von Permakultur-Elementen begonnen werden, wie z. B.: verschiedene Beetformen, Kräuterspirale, Sommerküche, Wurmfarm, Insektenhotel- bzw. Nützlingsbiotope usw.

Permakultur-Elemente sollten stets einen Mehrfachnutzen mit sich bringen. (In späteren Beitragen werde ich gerne noch auf die Permakultur-Elemente eingehen!)

Wichtig ist, diese Pflanzungen und den Bau der Elemente eigenhändig zu bewerkstelligen und sich bei größeren evtl. Erdbewegungen oder Bauwerken nur von einer Firma helfen, aber nicht komplett machen zu lassen. Wir müssen in unser Gartensystem langsam hineinwachsen können. Es bringt keinem was, sich sein fertiges Permakultursystem in seinen Garten oder Hof packen zu lassen. Investiert in eine eigene Ausbildung (Permakultur-Kurse), in eine gute Beratung, aber setzt es selbst um. Nur so könnt Ihr es zulassen, dass die Natur Euch selbst regulieren kann.
Übrigens ein weiteres Permakultur-Prinzip. Macht Euch mit den Pflanzen vertraut. Hört zu. Erlebt die Erweiterung der Vielfalt – sowohl bei Pflanzen als auch bei den Tieren. Diese schätzen nämlich auch das entstandene Mikroklima und helfen Euch ein ökologisches Gleichgewicht von Schad- und Nutztieren zu erreichen. So haben alle einen Nutzen davon. Jeder profitiert.

Beim Prinzip ‘Plane zuerst das Ganze und dann das Detail’ spielt auch die Zonierung des Grundstücks eine wesentliche Rolle. Die Zonierung teilt den Garten in Arbeitsintensität ein. Die Zone 0 betrifft z. B. Dein Haus bzw. Deinen Wohnwagon. Es ist der Haupt-Aufenthaltsort.

Die Zone 1 schließt sich logischerweise genau daran an. Es ist der direkte Bereich um Dein Haus, der Bereich, der auch mit Wasser versorgt werden kann. Dementsprechend stehen dort – z. B. auf der Terrasse – die Topfkulturen mit den wichtigsten Küchenkräutern, um sie schnell griffbereit zu haben. Auch die empfindlicheren Pflanzen, die in Töpfen den Vorteil des optimalen Mikroklimas nutzen, mit dem Rücken zur Hauswand, sind hier angesiedelt. Dazu können gehören: Tomaten, Paprika, Chilies, Auberginen, die ersten Salate im Frühling und die letzten im Herbst. Im Anschluss an die Terrasse befinden sich die Gemüsebeete oder vielleicht auch das Gewächshaus. Sie brauchen viel Aufmerksamkeit, weshalb sie in der Nähe des Hauses stehen.

Die Zone 2 beherbergt schon Spalierbäume, Buschbäume, Halbstammbäume und Beerenobst. Diese müssen nur bei Pflanzung mit Wasser versorgt werden und sind danach hauptsächlich zur Erntezeit zu besuchen. Wer die Möglichkeit zur Hühnerhaltung hat: diese sind in diesem intensiven Früchte-Beeren-System sehr gut aufgehoben. Sie halten das Obst frei von Schädlingen und sind ihrerseits sehr gut vor Raubvögeln geschützt. Auch evtl. Bienenkästen sind in Zone 2 zur Blütenbestäubung bzw. Befruchtung zweckmäßig.

Die Zone 3 wird nochmals pflegeleichter. In ihr sind die extensiv bewirtschafteten Beete untergebracht. Beete, die vorbereitet werden, bepflanzt werden und erst zur Ernte wieder besucht werden müssen. In diese Beete kommen Kürbis, Kartoffeln, Zuckermais, Haferwurz und Schwarzwurzel, Topinambur, Hirse, Wildtomaten, Wildkohl, Meerkohl, ausdauernder Kohl, Grünkohl, Lauch, Rüben verschiedenster Arten. Diese Extensivbeete werden stets gemulcht, sprich mit Laub, Grobkompost, altem Heu und Grasschnitt abgedeckt, damit das Bodenleben gut arbeiten kann, Futter hat und zum Lohne dafür die Erde locker hält. Dadurch ist kein Hacken notwendig und der Boden bleibt schön feucht, da die Oberflächenverdunstung um ein wesentliches verringert wird.

Die Zone 4 ist der Streuobstbereich. Eine wilde Blumenwiese mit Hochstammobstbäumen. Das Gras, sofern es nicht als Viehfutter Verwendung findet, kann zum Mulchen der Extensivbeete und der Beerensträucher verwendet werden. Das Obst der Streuobstwiesen liefert uns Saft, Likör und Schnaps, Wein bzw. Most und entsprechend auch Essig. Zusätzlich hat die Streuobstwiese einen sehr hohen ökologischen Wert als Lebensraum vieler Vögel und Insekten. Die Zone 4 hätte aber auch Platz für Fischteiche, Viehweiden, Felder- und Niederwaldbewirtschaftung. Dazu ist allerdings eine Fläche von über einem Hektar vonnöten bzw. wäre dies schon ein richtiger Selbstversorgerhof, Bauernhof, bei dem motorisiertes Gerät vonnöten ist.

Im Hausgarten kann die Zone 4 klein ausfallen und auch nur einen großen Walnussbaum oder einen anderen Hochstammobstbaum beheimaten. Die Zone 5 kommt jedoch in jedem Garten, auch wenn er noch so klein ist, zum Zuge. Und zwar zu mind. 20 % der Gesamtfläche. Gemeint ist hierbei die Wildniszone, die nicht nur die Randbereiche des Grundstückes beinhaltet, sondern sich durch alle Bereich zieht. Sie ist sehr wichtig für unser ökologisches Gleichgewicht, aber auch für unser Mikroklima. Die Wildniszone bezeichnet Dinge wie Insektenhotel, Blumenwiese, Totholzhaufen, Wildobsthecke, Steinhaufen, Eidechsenburg (aus alten Dachziegeln aufgestapelt), Laubhaufen für Igel usw. Die Wildniszone wird auch als „Ich tu nix-Garten“ bezeichnet, wobei auch dieser Bereich, besonders mit Wildobst und Kräutern aus der Blumenwiese, essbaren Blüten usw. zur Ernährung beiträgt.

Gerade auch für kleine Flächen ist diese Zonierung nicht unbedingt zur Zeiteinsparung da, jedoch zur optimaleren Strukturierung und Optimierung des Grundstücks. Schichten und Stapeln heißt es da, weshalb gerade bei Obstbäumen eine Mehrfachnutzung innerhalb der Baumscheiben angesagt ist. Die Baumscheibe bezeichnet den Bereich vom Stamm bis zur äußeren Tropfzone. Sofern genug Licht in diesen Bereich einfällt kann er sehr gut zur Dauerbepflanzung mit Tee- und Würzkräutern, auch für Wildgemüse genutzt werden. Der Baum selbst ist auch eine geeignete Rankhilfe für Weinbeeren und dornenlose Brombeeren. Zur Gründüngung gerne auch mal für Stangenbohnen! Hierbei entsteht eine Obstbaumlebensgemeinschaft, eine Symbiose, die gegenseitig zum Vorteil ist. Ist der Baum sehr dicht und breitkronig, eignet er sich auch zum Hineinhängen von evtl. Shiitake-Pilzkulturen.

Es ist sehr, sehr viel möglich. Wenn man weiß, dass kleine Räume aufgrund der vermehrten Aufmerksamkeit bis zu 12 x so ertragreich sind wie große Feldkulturen, dabei noch um ein wesentliches vielfältiger und angepasster, so können gerade auch im Kleinen zukunftsfähige selbstversorgerische Lebensräume entstehen und Körper & Seele enorm gut tun.

Hannelore Zech, Permakultur-Gestalterin
www.mienbacher-waldgarten.de
www.permagarten.wordpress.com